„Ein Veganer war neulich mal unhöflich und blöd zu mir, deshalb hat eure Bewegung jetzt jede Chance verloren, dass ich jemals vegan werde.“ – vielleicht hast du diesen Satz schon einmal gehört oder sogar selbst laut ausgesprochen. Unterhaltungen zwischen Veganern, Vegetariern und Fleischessern können hitzig werden, weil die eigene Ernährungsweise ein sehr emotionales Gesprächsthema ist. Die einen setzen sich für Tierrechte und die Umwelt ein, die anderen fühlen sich genötigt, ihr Verhalten zu rechtfertigen. Doch genau dabei kommt Fleischessern immer wieder Mal der genannte Satz über die Lippen.
In diesem Artikel möchte ich mit dir kurz und knapp überprüfen, ob es wirklich ein logischer Grund ist, weiter Fleisch zu essen, nur weil ein einzelner Veganer sich schroff, blöd, hochnäsig, arrogant und unhöflich verhalten hat. Auf geht's!
War der Veganer wirklich unhöflich oder hat die Wut andere Ursachen?
Eine Frage vorab: war der Veganer/die Veganerin wirklich unhöflich? Oder war das Gespräch nur anstrengend und irgendwie lästig? Ich kann definitiv bestätigen, dass viele Veganer nerven – schon deshalb, weil sie sich wünschen oder hin und wieder lehrerhaft einfordern, dass man seine Gewohnheiten ändert. In der Emotionalität der Sache kann man dann doch schon einmal schnell unhöflich erscheinen.
Es gibt Millionen von Veganern und auch Fleischessern, die hier und da unhöflich sind
Aber angenommen, der „Pflanzenfresser“ war wirklich unfreundlich. Auch Veganer sind nur Menschen – und manche Menschen – ob Fleischesser oder Veganer – sind eben unsympathisch, nervig und alles andere als nett. Doch deshalb sind ja nicht alle anderen Veganer und auch Fleischesser auch automatisch unfreundlich!
Auch als Veganer trifft man ab und zu auf unfreundliche Fleischesser, die Witze über Veganer herausposaunen oder auf einer Tierrechtsdemo provokativ rohes Fleisch essen. Doch deshalb hasse ich ja jetzt nicht alle anderen Fleischesser in meinem Umfeld. Und abgesehen davon sind die unsympathischen Provokationen von Fleischessern auch nicht der Grund, warum ich mich vegan ernähre bzw. vegan lebe.
Wärst du vegan geworden, wenn er netter gewesen wäre?
Eine Frage, in der viel Konjunktiv steckt, die aber zum Nachdenken anregt. Oft wird in Diskussionen behauptet, dass man neulich mit einem viel freundlicheren Veganer gesprochen hat, der nicht so unhöflich war.
Doch warum ist man dann immer noch nicht vegan und diskutiert stattdessen weiter mit den üblichen Vorurteilen gegenüber der veganen Lebensweise? Vermutlich, weil das Gespräch nicht effektiv war und weil man sich nicht bereit fühlt, sich selbst zu ändern. Ein netter und nickend zustimmender Veganer wäre den meisten Fleischessern logischerweise sympathischer. Ganz einfach, weil er nicht einfordert, die eigene Lebensweise zu hinterfragen und neue Gewohnheiten zu adaptieren.
Gab es nicht auch Fleischesser, die unhöflich zu dir waren?
Wenn es wirklich ein logischer Grund wäre, den Rest seines Lebens Fleisch und Tierprodukte zu konsumieren, nur weil ein Veganer unhöflich zu einem war – ja, dann müsste man ja auch mit dem Fleisch essen aufhören, weil ja garantiert auch Mal ein Fleischesser unhöflich zu einem war.
Natürlich ist das Argument Blödsinn. Doch man kann damit schnell eine Barriere aufbauen und sich einer inhaltlichen, wesentlich anstrengenderen Diskussion entziehen.
Hier möchte ich dir noch ein paar gewöhnliche, vergleichbare Alltagsbeispiele an die Hand geben. Sie untermauern, wie absurd das Argument „jemand war unhöflich zu mir und deshalb ändere ich mich nicht“ tatsächlich klingt:
- „Ein Nicht-Raucher war neulich unfreundlich zu mir, deshalb werde ich jetzt für den Rest meines Leben rauchen.“
- „Eine Fahrradfahrerin war vor ein paar Tagen extrem rüde und unhöflich zu mir, deshalb fahre ich ab sofort nie wieder mit dem Rad.“
- „Ein Minimalist war letzte Woche total blöd zu mir, deshalb kaufe ich jetzt mein Leben lang täglich fünf Dinge, die ich eigentlich gar nicht brauche.“
Selbst wenn jemand unfreundlich zu einem war, ergeben diese Aussagen einfach keinen Sinn. Sinnvoller wäre es, sich einfach nie wieder mit dem ehemaligen Gesprächspartner zu unterhalten, weil er/sie einem unsympathisch war. Aber die Verbindung zu Verhaltensweisen wie dem Rauchen, dem Fahrrad fahren, der minimalistischen Lebensweise oder eben dem Veganismus herzustellen, ist fehl am Platze.
Tipp: Ein weiteres, ernährungsbezogenes Beispiel ist übrigens „Hitler war Vegetarier“ – als Argument dafür, weiterhin Fleisch zu essen. Ob dieses Argument sinnvoll ist, habe ich dir im verlinkten Artikel erläutert.
Es ist ein innerer Widerspruch, der unhöflich zu dir war…
„Ich kannte mal jemanden, der nicht nett war… und deshalb halte ich alles, aber auch alles was er tut, für völligen Quatsch.“ – Natürlich vermeidet man so vorerst, sich überhaupt mit einer pflanzlichen Ernährung und dem veganen Lebensstil beschäftigen zu müssen. Doch als Argument in einer Diskussion macht so ein merkwürdiger Spruch selbstverständlich keinen Sinn. Vielmehr offenbart er die eigene, argumentative Hilflosigkeit – und die kognitive Dissonanz. Damit ist ein innerer Widerspruch gemeint, der zum Beispiel dadurch entsteht, dass man ja Tiere liebt, aber ihre Körperteile trotzdem isst.
Wir halten fest: All das Tierleid für den eigenen Lebensstil lässt sich nicht einfach damit rechtfertigen, dass mal irgendein Veganer unhöflich zu dir war. Wir alle machen in unserem Leben hier und da schlechte Erfahrungen mit anderen Menschen. Aber deshalb ist nicht automatisch alles schlecht, was diese Menschen tun.
Ich hoffe, dass dir dieser Artikel weitergeholfen hat. Hast du Fragen, Tipps oder Anregungen? Dann freue ich mich auf deinen Kommentar.
Bleib‘ tierfreundlich,
PS.: Ist das Fleischessen das neue Rauchen? Mit der Antwort auf diese Frage habe ich mich in einem weiteren Blogbeitrag beschäftigt. Viel Spaß!