Du willst mehr über Veganismus und Östrogene wissen? Dann bist du hier genau richtig! Viele Menschen entscheiden sich für eine vegane Ernährung, weil sie umweltfreundlich, tierfreundlich und auch gesundheitlich förderlich ist. Manchmal kommen jedoch auch Zweifel auf. Zum Beispiel, wenn es um weibliche Hormone in pflanzlichen Lebensmitteln – wie Soja – geht.
In diesem Artikel erhältst du deshalb alle wichtigen Informationen über den Zusammenhang vom Veganismus und den sogenannten Phytoöstrogenen, die du bei einer pflanzlichen Lebensweise benötigst. Von der Definition, über entsprechende Lebensmittel, ihre Wirkung und gesundheitliche Vorteile, bis hin zu empfehlenswerten Mengen und dem oft gehörten Gerücht der Östrogene in Sojaerzeugnissen. Auf geht's!
Hier ist vorab noch ein Inhaltsverzeichnis zur Orientierung:
Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung, sondern stellt lediglich allgemeine Informationen über Phytoöstrogene bei einer pflanzlicher Ernährungsweise bereit. Bitte suche deinen Arzt auf, wenn du dich unwohl fühlst oder gesundheitlichen Problemen mit medizinischer Betreuung vorbeugen willst.
Was sind Östrogene bzw. Phytoöstrogene?
Phytoöstrogene sind den sekundären Pflanzenstoffen zuzuordnen. Wie der Name bereits vermuten lässt, handelt es sich also um Stoffe, die dem Hormon Östrogen ähneln. Das liegt daran, dass sie eine vergleichbare Struktur wie das weibliche Sexualhormon 17ß-Östradiol besitzen.1
Zu den Phytoöstrogenen zählen Lignane, Isoflavone und Coumestane. Ihre verschiedenen Formen sind in ungefähr 300 Pflanzen zu finden. Allen voran wird immer wieder Soja mit Phytoöstrogenen in Verbindung gebracht. Jedoch sind auch viele andere phytoöstrogenhaltige Lebensmittel ein regelmäßiger Bestandteil unserer Ernährung.
Was enthält Phytoöstrogene?
Phytoöstrogene sind unter anderem in Salbei, Süßholzwurzel und Hopfen zu finden. Weitere Lebensmittel in denen verschiedene Formen der sekundären Pflanzenstoffe zu finden sind:
- Lignane: u. a. Leinsamen, Kürbiskerne, Roggen, Gerste
- Coumestane: u. a. Rotklee, Mungobohnensprossen, Alfalfasprossen, Sojasprossen
- Isoflavone: u. a. Sojabohnen und Sojaprodukte, Bohnen, Erbsen
Wie wirken Phytoöstrogene?
Phytoöstrogene haben einen Einfluss auf viele Stoffwechselprozesse. Sie wirken laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) außerdem antioxidativ und immunmodulierend.2
Oftmals hört man auch, dass Phytoöstrogene den Hormonhaushalt verändern können, teilweise sogar Mythen wie „Soja verweiblicht Männer„. Ihre Wirkung ist allerdings 100-10.000-fach schwächer als die Wirkung von Östrogen. Dies könnte kompensiert werden, wenn die Phytoöstrogene in 100-10.000fach höherer Menge vorliegen würden. Das ist jedoch nur erreichbar, wenn du dich nahezu ausschließlich von Sojaprodukten ernährst.3
Wichtiger Hinweis: Viele Studien, die sekundären Pflanzenstoffen negative Eigenschaften nachsagen, sind in-vitro-Studien oder Studien mit Tierversuchen. Laut DGE können diese Studien jedoch nicht direkt auf den Menschen übertragen werden.2 Ebenso können Studien mit isolierten Isoflavon-Präparaten nicht auf vollwertige Lebensmittel wie Sojabohnen übertragen werden.
Wie beeinflussen Phytoöstrogene Krankheiten?
Sekundäre Pflanzenstoffe haben einen Einfluss auf viele verschiedene Krankheitsbilder. Darunter sind Zivilisationskrankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hier möchte ich mit dir einen kleinen Blick auf die gesundheitlichen Vorteile der Phytoöstrogene werfen.
Krebserkrankungen
Das Risiko an hormonbedingten Krebserkrankungen wie Brust- oder Prostatakrebs zu erkranken, wird durch eine erhöhte Zufuhr von Isoflavonen reduziert.4 Das Cancer Council Australia empfiehlt den Konsum von Sojaprodukten, sowie eine Ernährung mit einem hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel, weil diese in der Krebsprävention wirksam sein können.5
Herz-Kreislauf-Krankheiten
Studien zufolge haben Sojaprodukte eine cholesterinsenkende Wirkung. Das gesenkte Cholesterin reduziert also das Risiko an Herzinfarkten oder Schlaganfällen zu erkranken.6 Bei klinisch manifester Arteriosklerose hilft eine erhöhte Zufuhr von Isoflavonen. Weiterhin wurde festgestellt, dass eine Isoflavonsupplementierung bei Bluthochdruckpatienten zu einer Verringerung des systolischen Blutdrucks führt.2
Die American Heart Association bestätigt, dass ein Verzehr von 25-50 g Sojaprotein pro Tag sicher und effektiv das LDL-Cholesterin reduziert. Deshalb empfiehlt die Vereinigung Sojaprodukte in den Ernährungsplan zu integrieren, um die Herzgesundheit zu fördern.7
Tipp: 25-50 g Sojaprotein sind beispielsweise etwa in 150-300 g Tofu enthalten.
Knochengesundheit
Durch eine Isoflavonsupplementierung konnte die Knochenmineraldichte bei Frauen um ganze 54 Prozent gesteigert werden. Dieser Effekt war bei postmenopausalen Frauen sogar noch stärker.2 Somit kann davon ausgegangen werden, dass Isoflavone das Risiko an Osteoporose oder anderen Knochenkrankheiten zu erkranken, stark reduzieren können.
Wechseljahresbeschwerden
Gerade Hitzewallungen zählen zu den typischen Wechseljahresbeschwerden. Studien zufolge kann das Isoflavon Genistein das Auftreten von Schweißausbrüchen und vergleichbaren Beschwerden reduzieren, sowie auftretende Hitzewallungen mildern.6
Rotklee ist eine der Pflanzen mit dem höchsten Phytoöstrogengehalt. Da er östrogen-erhöhend wirkt, kann er dazu genutzt werden, den Östrogenmangel in den Wechseljahren auszugleichen. Spannend ist dabei, dass das Phytoöstrogen in Rotklee bei einem hohen Östrogenspiegel anti-östrogen wirkt.8
Welche MEngen Phytoöstrogen sind empfehlenswert?
Laut aktueller Wissenschaft sind beispielsweise 50-100 mg Isoflavone sicher und empfehlenswert. Konkret heißt das also, dass du etwa 200-400 g Tofu oder 150 g Tofu und 250 ml Sojamilch essen könntest, um ungefähr 60 mg Isoflavone aufzunehmen.9
Um hormonelle Effekte zu erzielen, müsste man Unmengen an Lebensmitteln, die Isoflavone, Lignane oder Coumestane enthalten, verzehren. Das ist grundsätzlich nur möglich, wenn man sich für einen längeren Zeitraum ausschließlich von Sojaprodukten ernähren würde. Selbst der tägliche Verzehr von Sojaprodukten oder anderen phytoöstrogenhaltigen Lebensmitteln in üblichen Mengen ist somit hormonell unbedenklich.
Soja und Phytoöstrogene
Sojaprodukte werden im Bezug auf Phytoöstrogene oft besonders kritisch betrachtet. Hierbei gilt es zunächst zwischen fermentierten und nicht fermentierten Sojaprodukten zu unterscheiden. Denn nicht fermentierte Sojaprodukte enthalten nur sehr geringfügige Mengen hormonell aktiver Isoflavone.
Im Gegensatz dazu beinhalten fermentierte Sojaprodukte, wie Tempeh oder Miso höhere Mengen. Damit das hormonell aktive Isoflavon tatsächlich deinen Hormonhaushalt beeinflusst, müsstest du dich allerdings fast ausschließlich von Tempeh oder Miso ernähren.
Gemäß Dietitians of Canada wird der Verzehr von Soja im Rahmen einer gesunden Ernährung von mehreren nationalen Ernährungsrichtlinien empfohlen.10 Falls du dennoch kein Soja essen magst, kannst du Sojaprodukte ganz einfach aus deinem Ernährungsplan streichen und dich trotzdem vegan ernähren.
Östrogene in Kuhmilch
Wenn über Östrogene in der Ernährung gesprochen wird, dann muss der Fokus auch auf Kuhmilch gelegt werden. Das in Kuhmilch enthaltene Östrogen ist nämlich im Gegensatz zu den bisher besprochenen Phytoöstrogenen kein pflanzliches Östrogen und deshalb potenter.
In einem Bericht der Harvard Universität werden Östrogene aus Kuhmilch als bis zu 100.000 mal potenter als Phytoöstrogene bezeichnet. Milchprodukte machen durchschnittlich zwischen 60 und 80 Prozent der über die Ernährung zugeführten Östrogene aus. Dies sei besonders bedenklich, weil ein Zusammenhang zwischen hormonabhängigen Krebserkrankungen und Hormonen aus der Ernährung vermutet wird.11 Weiterhin gibt es Hinweise aus epidemiologischen Studien, dass sich die Anzahl der beweglichen Spermien bei hohem Milchkonsum verringern kann.12
Veganismus und Östrogene – Kein Grund zur sorge!
Phytoöstrogene können bei vielen Zivilisationskrankheiten helfen, entweder präventiv oder therapeutisch. Gleichzeitig sind die benötigten Mengen an Phytoöstrogen, die man zu sich nehmen müsste, um tatsächlich hormonelle Effekte wie bei regulärem Östrogen zu erreichen, extrem hoch. In einer pflanzlichen Ernährung, müsstest du täglich Unmengen von Sojaprodukten oder anderen phytoöstrogenhaltigen Lebensmitteln konsumieren – und das ist bei einer ausgewogenen Ernährung nicht der Fall.
Somit kannst du ganz entspannt deinen Tofu, Tempeh oder deine Sojamilch verzehren, ohne dir Gedanken über hormonelle Effekte machen zu müssen.
Hast du Fragen zu diesem Beitrag über Veganismus und Östrogene? Dann schreibe mir wie immer gern einen Kommentar!
Alles Gute,
P.S.: Wenn du noch mehr über Ernährung wissen möchtest, findest du viele Beiträge in unserer Nährstoff-Datenbank. Schau dir beispielsweise auch meine Beiträge über Riboflavin oder Vitamin B12 bei veganer Ernährung an.
Quellenangaben:
1 N. Rittenau (2018): Vegan-Klischee ade! Wissenschaftliche Antworten auf kritische Fragen zu veganer Ernährung. VENTIL-Verlag, Mainz.
2 Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Sekundäre Pflanzenstoffe und ihre Wirkung auf die Gesundheit, https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/fachinformationen/sekundaere-pflanzenstoffe-und-ihre-wirkung/. [10.08.2021]
3 S. Kulling, B. Watzl (2003): Phytoöstrogene. In: Ernährungsumschau 50 (6), S. 234-239, https://www.ernaehrungs-umschau.de/print-artikel/16-06-2003-phytooestrogene/. [10.08.2021]
4 B. Watzl (2012): Einfluss sekundärer Pflanzenstoffe auf die Gesundheit. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): 12. Ernährungsbericht 2012. Bonn, S. 355-374.
5 Cancer Council Australia (2017): Position statement – Soy, phyto-oestrogens and cancer prevention. Online: http://www.aicr.org/cancer-prevention/food-facts/soy/. [10.08.2021]
6 Zentrum der Gesundheit: Tofu – mehr als ein Fleischersatz, https://www.zentrum-der-gesundheit.de/ernaehrung/lebensmittel/huelsenfruechte/tofu. [10.08.2021].
7 J. W. Erdman (2000): Soy Protein and Cardiovascular Disease – A Statement for Healthcare Professionals From the Nutrition Committee of the AHA. In: Circulation 102(20), S. 2555-2559.
8 Zentrum der Gesundheit: Rotklee – ein echtes Multitalent, https://www.zentrum-der-gesundheit.de/ernaehrung/nahrungsergaenzung/heilpflanzen/rotklee-ia. [10.08.2021]
9 US Department of Agriculture (2008): USDA Database for the Isoflavone Content of Selected Foods. Release 2.0, https://www.ars.usda.gov/ARSUserFiles/80400525/data/isoflav/isoflav_r2.pdf. [10.08.2021]
10 Dietitians of Canada (2015): What are the health benefits of soy?, https://www.healthyfamiliesbc.ca/home/blog/soy-should-you-eat-it. [10.08.2021]
11 The Harvard Gazette (2006): Hormons in milk can be dangerous, https://news.harvard.edu/gazette/story/2006/12/hormones-in-milk-can-be-dangerous/. [12.08.2021]
12 Ärzteblatt (2018): Schaden Östrogene in Kuhmilch der Gesundheit?, https://www.aerzteblatt.de/blog/98816/Schaden-Oestrogene-in-der-Kuhmilch-der-Gesundheit. [12.08.2021]