Was sind eigentlich planetare Grenzen? Sicher hast du diesen Begriff in den Nachrichten, in Polit-Talkshows oder auf einer der zahlreichen Klimademos schon einmal vernommen. Er beschreibt die Belastungsgrenzen der Erde, deren Widerstandskraft von neun unterschiedlichen, weltweiten Prozessen bestimmt wird.
Wir Menschen sind durch den massiven Verbrauch natürlicher Ressourcen und eine gesamtgesellschaftlich umweltschädliche Lebensweise wesentlich dafür verantwortlich, dass unser Planet mehr denn je in Gefahr ist. Auch deshalb sind wir gezwungen, schleunigst Lösungen für die größten Umweltprobleme unserer Zeit finden.
In diesem Artikel möchte ich dir jetzt alles Wissenswerte über das Konzept der planetaren Grenzen erläutern und zeigen, welche Prozesse dabei eine wesentliche Rolle spielen. Auf geht's!
Vorab findest du hier schon eine kurze Übersicht über den Beitrag:
Die Definition – Was sind planetare Grenzen?
Das Konzept der Planetaren Grenzen (engl. Planetary Boundaries) dient dazu, anhand von neun zentralen, natürlichen Systemen und Prozessen, Aussagen über die Erdgesundheit und die Lebensgrundlagen der Menschheit treffen zu können. Es wurde im Jahr 2009 von etwa 30 internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Johan Rockström vom Stockholm Resilience Centre in einem Fachartikel publiziert.₁
Die globalen Prozesse und ihr aktueller Zustand, von dem die ökologische Tragfähigkeit des Planeten wesentlich abhängig ist, wurde auf Basis naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Anwendung des Vorsorgeprinzips ermittelt.
Wo liegt der Unterschied zu den Klima Kipppunkten und dem Erdüberlastungstag? Während die Planetaren Grenzen ein Abhängigkeitskonzept zur Bewertung der Erdgesundheit darstellen, sind die Klima Kipppunkte wichtige Elemente der Erdsystemforschung, die ab einem bestimmten Punkt beschleunigende Wirkung auf die Erderwärmung haben.
Der „Earth Overshoot Day“ beschreibt den Tag im Jahr, an dem die Menschheit mehr nachwachsende Ressourcen verbraucht hat, als der Planet im gesamten Jahr reproduzieren kann.
Welche planetaren Grenzen und bestimmenden, globalen Prozesse gibt es?
Nun weißt du, dass das wissenschaftliche Konzept der Planetaren Grenzen zeigt, wie gut oder schlecht es unserer Erde geht. Um welche erdsystematischen Prozesse es sich dabei ganz genau dreht, möchte ich dir nun erläutern.
Hinweis: Ich stelle dir jeweils auch die wesentlichen Ursachen der Problematik und die Dinge vor, die jeder von uns im Alltag dagegen unternehmen kann.
1. Klimawandel
Der Anstieg des Meeresspiegels, langandauernde Dürreperioden oder Extremwetter und Naturkatastrophen sind zunehmende Folgen des Klimawandels. Der anthropogene Treibhauseffekt und Tipping-Points, wie der Kollaps des Amazonas-Regenwaldes oder die Zerstörung der Korallenriffe, beschleunigen das Umweltproblem der globalen Erwärmung.
- Ursachen: Unter anderem gelten die Abholzung der Regenwälder, das menschliche Konsumverhalten, der hohe Energieverbrauch von Gebäuden und unzählige Flugreisen als wesentliche Gründe für die rasanten Klimaveränderungen.
- Lösungsvorschläge: Die entscheidende Maßnahme ist es, bewusst klimafreundlicher zu leben. Beispielsweise indem man Autofahrten und Flugreisen möglichst durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ersetzt.
2. Neue Substanzen und modifizierte Lebensformen
Giftige Stoffe wie Pestizide, Schwermetalle, radioaktive Materialien oder Nanopartikel können in der Natur nur schwer abgebaut werden. Auch deshalb kann ihre Einbringung in die Umwelt schwere Folgen für Mensch, Tier und die Erde haben.
Beispielsweise können sich neue gentechnisch modifizierte Lebensformen bilden, die in der Lage sind, Ökosysteme aus ihrem natürlichen Gleichgewicht zu bringen.
- Ursachen: Eine Gefahr für die Erdgesundheit besteht beispielsweise durch Mülldeponien, Endlager für radioaktive Abfälle oder durch den Einsatz von chemischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln.
- Lösungsvorschläge: Vermeide Müll im Alltag so gut es geht, steige auf Ökostrom um und bevorzuge Bio-Lebensmittel aus der ökologischen Landwirtschaft.
3. Intaktheit der Biosphäre
Die Unversehrtheit der Biosphäre ist ebenfalls ein entscheidender Prozess der Planetaren Grenzen. Innerhalb von Lebensräumen, sind unzählige Tier- und Pflanzenarten voneinander abhängig. Sterben beispielsweise pflanzenbestäubende Insekten wie die Biene aus, wird es viele Pflanzenarten und Lebensmittel nicht mehr geben.
- Ursachen: Ein wesentlicher Grund für das Insektensterben ist der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft.
- Lösungsvorschläge: Eine sinnvolle Maßnahme ist es, durch die Änderung der eigenen Lebensweise dazu beizutragen, dass das Artensterben gestoppt wird. Unter anderem funktioniert dies durch die Bevorzugung von Lebensmitteln aus der ökologischen Landwirtschaft.
Tipp: Was du sonst noch im Alltag gegen das Insektensterben tun kannst, erläutere ich dir gern im ausführlichen, verlinkten Blogbeitrag.
4. Ozonverlust der Stratosphäre
In der Stratosphäre befindet sich Ozon, dass Teile der UV-Strahlen aus dem Sonnenlicht abblockt. Doch manche Gase aus der Industrie können die Ozonschicht beschädigen, sodass ungewöhnlich große Mengen der Ultraviolettstrahlung zur Erde gelangen.
- Ursachen: Fluorchlorkohlenwasserstoffe aber auch polare Stratosphärenwolken tragen zur Verringerung der Schutzwirkung des Ozons bei.
- Lösungsvorschläge: Der Ausstoß ozonzerstörender Substanzen muss verboten werden, um diesen globalen Prozess im sicheren Handlungsraum zu bewahren.
5. Aerosolgehalt der Atmosphäre
Die Aerosole, winzige Teilchen in der Luft, wie zum Beispiel Feinstaub, beeinflussen das Klimasystem, das Wetter und auch unsere Gesundheit. Eine veränderte Wolkenbildung oder Atemwegserkrankungen sind übliche Folgen.
- Ursachen: Die Luftverschmutzung der Atmosphäre ist vor allem eine Folge der Abgase von Fabriken, Flugzeugen, Schiffen oder Autos.
- Lösungsvorschläge: Auch du kannst die Luftverschmutzung minimieren. Zum Beispiel, indem du weniger Müll produzierst, weniger unnütze Dinge konsumierst und öfter Bahn fährst, anstatt mit dem Flugzeug zu fliegen.
6. Landnutzungswandel
Der Wald ist in der Lage, die Erde zu kühlen und durch den Menschen ausgestoßenes CO2 zu binden. Der enorme Flächenverbrauch für Fleisch und andere, tierische Lebensmittel führt jedoch dazu, dass Wälder weichen müssen.
Der sichere Handlungsraum dieses Prozesses wurde bereits deutlich überschritten, sodass ein erhöhtes Risiko für gravierende Folgen besteht.
- Ursachen: Die bedrohliche Landnutzungsveränderung ist eine wesentliche Folge des Tierfutteranbaus und der Schaffung von Weideflächen für die Massentierhaltung.
- Lösungsvorschläge: Die vegane Lebensweise ohne Tierausbeutung – und stattdessen mit dem direkten Verzehr der angebauten Pflanzen – trägt wesentlich zur Lösung dieser Problematik bei.
7. Biogeochemische Kreisläufe
Einen weiteren Prozess der Planetaren Grenzen sehen Johan Rockström und sein Team in der Veränderung biogeochemischer Kreisläufe. Stickstoff und Phosphor befinden sich ganz natürlich im Boden. Durch die Einbringung von chemischen Düngemitteln nehmen die vorhandenen Mengen exorbitant jedoch zu.
Überschüsse werden vom Regen in umliegende Seen gespült (Eutrophierung), in denen in der Folge das Algenwachstum bedrohlich zunimmt und ganze Ökosysteme bedroht.
- Ursachen: Vor allem durch die Überdüngung in der Landwirtschaft (z.B mit Gülle) kommt es zur Anreicherung von Nährstoffen in ursprünglich nährstoffarmen Ökosystemen.
- Lösungsvorschläge: Die Bevorzugung von pflanzlichen Bio-Produkten aus ökologischer Landwirtschaft ist ein wertvoller Lösungsansatz.
8. Versauerung der Meere
Darunter ist die Abnahme des pH-Wertes des Meerwassers zu verstehen. Calcit und Aragonit reagieren im Meerwasser mit dem im Meer gebundenen Kohlenstoffdioxid. Die entstehende Kohlensäure greift in der Folge beispielsweise Muscheln an und kann das Korallensterben beschleunigen.
- Ursachen: Sobald der CO2-Druck in der Atmosphäre höher als der des Ozeans ist, wird Kohlendioxid im Oberflächenwasser des Ozeans gelöst. Die menschlichen Treibhausgasemissionen tragen wesentlich dazu bei.₂
- Lösungsvorschläge: Du kannst unterstützen, indem du deinen persönlichen, ökologischen Fußabdruck reduzierst und klimafreundlicher lebst.
Tipp: Was du ganz speziell gegen das Korallensterben tun kannst, habe ich dir in einem separaten Artikel im Blog zusammengetragen. Wenn du magst, schau gerne mal rein!
9. Süßwassernutzung
Wasser wird nicht nur direkt im Haushalt, sondern auch indirekt, zum Beispiel für Lebensmittel und Kleidung, verbraucht. Dieser sogenannte virtuelle Wasserverbrauch entsteht beispielsweise durch die Bewässerung von Tomaten- oder Baumwollfeldern und bedroht die begrenzten Süßwasserbestände in Teichen, Flüssen und Seen.
- Ursachen: Ein simples Beispiel hilft, die Problematik zu verdeutlichen. Um ein Kilogramm Fleisch zu erzeugen, sind mehr als 15.000 Liter Wasser (z.B. für Tierfutteranbau, Stallreinigungen etc.) notwendig.₃ Auch wenn man ihn als Konsument nicht sieht, spielt dieser indirekte Wasserverbrauch eine wichtige Rolle für die Belastungsgrenzen der Erde.
- Lösungsvorschläge: Verfolge eine möglichst pflanzliche Ernährungsweise und spare bewusst Wasser im Haushalt.
Wie ist der Zustand der Planetaren Grenzen?
Hier oben in der Grafik siehst du schon die jeweiligen Zustände und Bedrohungen der eben beschriebenen, globalen Prozesse der Planetaren Grenzen.
Prozesse, die hier ausschließlich im grünen Bereich (von Rockström und Kollegen empfohlener Bereich) dargestellt sind, gelten (noch) als sicher bzw. gesund. Das ist momentan bei der Süßwassernutzung, der Versauerung der Meere und dem Ozonverlust der Stratosphäre der Fall.
Der Klimawandel, sowie die Landnutzungsveränderungen befinden sich zur Zeit bereits im gelben Bereich, der Prozesse beschreibt, die ein erhöhtes Risiko darstellen und deren Folgen für die Umwelt schwer einzuschätzen sind.
Die biogeochemischen Kreisläufe, sowie die Genetische Vielfalt (als Teil des Prozesses der Intaktheit der Biosphäre) befinden sich im roten Bereich, der den globalen Prozessen gilt, die sich im Bezug auf die Belastungsgrenzen der Erde in der Hochrisikozone befinden. Das heißt, es sterben derzeit bedrohlich viele Tier- und Pflanzenarten aus – auch als Folge der Einbringung von chemischen Düngemitteln.
Nicht außer Acht lassen sollten wir den grauen Bereich, der die Prozesse beschreibt, deren Belastungsgrenze noch gar nicht bekannt und definiert sind. Das ist beim Aerosolgehalt der Atmosphäre, der Einbringung neuer Substanzen und modifizerten Lebensformen, sowie der funktionalen Vielfalt (auch als Teil der Intaktheit der Biosphäre) der Fall.
Planetare Grenzen kennen und handeln!
Unsere derzeitige Lebensweise beutet die Ressourcen des Planeten aus und zerstört natürliche Ökosysteme. Doch die Erde ist nicht unendlich belastbar.
Das Konzept der Planetaren Grenzen kombiniert die Wechselwirkungen der globalen Prozesse und gibt Aufschluss über den Gesundheitszustand unserer Erde – und uns Menschen einen Rahmen, um unsere Umwelt intakt zu halten.
Zudem liefert sie wertvolle Erkenntnisse, die zur Anpassung unseres persönlichen Verhaltens motivieren, damit wir selbst zum Teil der Problemlösung werden können.
„Die größte Gefahr für unseren Planeten ist der Glaube, dass jemand anderes ihn rettet.“
Robert Swan (mehr unter Umweltschutz Zitate)
Hast du Fragen, Anregungen oder weitere wertvolle Informationen zu den Planetary Boundaries? Dann freue ich mich auf deinen Kommentar.
Bleib‘ nachhaltig und umweltbewusst,
PS: Im Wissensblog stelle ich dir noch viele weitere Fachbegriffe aus den Bereichen Umweltschutz und Nachhaltigkeit vor. Erfahre jetzt zum Beispiel, was man unter dem Wort Littering versteht. Viel Spaß!
Quellenangaben:
₁ BMUV (2021): Planetare Belastbarkeitsgrenzen, abrufbar unter https://www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit-digitalisierung/nachhaltigkeit/integriertes-umweltprogramm-2030/planetare-belastbarkeitsgrenzen. [22.09.2023].
₂ Climate Service Center: Ozeanversauerung, abrufbar unter https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Ozeanversauerung. [22.09.2023].
₃ Umweltbundesamt (2017): Verstecktes Wasser (Stand: 22.03.2017), abrufbar unter https://t1p.de/ddfg. [22.09.2023].