Wer Nachhaltigkeit vorlebt, muss sich vielen Vorurteilen stellen! Das Schöne an einem umweltbewussten Lebensstil ist, dass es im Grunde kein logisches Gegenargument gibt. Daher lassen sich die typischen Irrtümer und Mythen auch relativ einfach entkräften. Wenn du die Hintergründe der größten Umweltprobleme unserer Zeit kennst – und über ihre Lösungsansätze Bescheid weißt – kannst du andere sogar ebenfalls für ein nachhaltiges Leben begeistern.
In diesem Beitrag möchte ich dir deshalb einige typische Vorurteile gegenüber Nachhaltigkeit vorstellen – und dir sinnvolle Antworten an die Hand geben, um sie direkt zu entkräften. Viel Spaß!
8 Vorurteile gegenüber Nachhaltigkeit und Umweltschutz im Alltag
Nicht jeder beschäftigt sich täglich mit dem Thema Nachhaltigkeit. Daher stört es mich auch nicht, wenn ich in Diskussionen immer Mal wieder mit Vorurteilen gegenüber eines umweltbewussten Lebensstils konfrontiert werde. Ich betrachte diese Situationen dann vielmehr als Chance, andere zu überzeugen, ebenfalls bewusster zu leben. Hier sind 8 Vorurteile, die ich besonders häufig zu hören bekomme – und wie ich darauf antworten würde.
1. »Soja zerstört den Regenwald? Das essen doch eh nur Veganer und Vegetarier!«
Du hast recht: Soja ist tatsächlich eine der Pflanzen, die besonders oft auf den Tellern von Veganern landet – vor allem, weil sie so proteinreich ist. Doch von der Ernte des weltweiten Sojaanbaus enden fast drei Viertel als geschrotetes Tierfutter für die Massentierhaltung₁, da Kühe, Schweine oder Hühner dadurch besonders schnell wachsen. Etwa 18 Prozent der Ernte wird zudem verarbeitet₂, sodass das Erzeugnis beispielsweise als Biodiesel oder als Bratöl verwendet werden kann. Nur aus etwa 2 Prozent werden tatsächlich zu Sojabratlingen oder anderen Köstlichkeiten der fleischlosen Ernährung hergestellt.₃ Dabei handelt es sich jedoch im Regelfall um europäisches Bio-Soja aus gentechnikfreier Landwirtschaft. Gen-verändertes Soja ist in Deutschland nicht einmal als Lebensmittel für Endverbraucher zugelassen – als Tierfutter allerdings schon.
Der Sojaanbau ist also die Hauptursache für die Abholzung der Regenwälder. Die Ernte endet aber nicht als Mahlzeit von Veganern – sondern als Tierfutter für die Nutztiere, die du isst. Stattdessen könntest du auch direkt Soja-Produkte verzehren und dazu beitragen, dass der ressourcenintensive „Umweg Tier“ vermieden wird. Das würde, ganz nebenbei, auch dazu beitragen, den Welthunger zu stoppen.
Tipp: Das ist wirklich eines der größten Irrtümer über Nachhaltigkeit. Schaue dir ergänzend gerne meinen Beitrag über die Gründe für Veganismus an.
2. »Für Energie aus Windkraft werden Vögel umgebracht.«
Es stimmt, dass Vögel von den Windkraftanlagen erschlagen werden können. Man spricht von etwa 10.000 bis 100.000 Tieren im Jahr. Bei bundesweit etwa 20.000 Windkraftanlagen entspräche das einer Quote von etwa 1 – 5 toten Tieren pro Windrad, pro Jahr.₄ Gleichzeitig sterben jährlich auch etwa 18 Millionen Vögel durch Kollisionen mit Glasscheiben₅ – ein viel größeres Problem, dass wir aber kaum öffentlich diskutieren. Ebenso wenig, wie die Umweltzerstörung und das folgliche Vogelsterben durch Ackergifte in der Landwirtschaft. Wir könnten also viel mehr für das Wohl der Vögel tun, wenn wir die Hauptursachen für das Vogelsterben bekämpfen würden.
Nicht vergessen solltest du zudem die konventionellen Alternativen für Windenergie. Die Erzeugung von Kohlestrom ist extrem ressourcenintensiv, klimaschädlich und setzt giftige Emissionen, wie Schwefeloxide, Stickoxide und Staub frei. Zudem müssen für den Abbau im Braunkohle-Tagebau Natur- und Siedlungsflächen weichen und zerstört werden. Steinkohle wird unter Tage abgebaut, wodurch eine große Gefahr für die Arbeiter besteht. Und um Energie aus radioaktivem Atommüll zu gewinnen, muss dieser aufgrund der langen Halbwertszeiten der Substanzen über Jahrhunderte bis Jahrtausende absolut sicher vor der Biosphäre und vor dem Kontakt mit uns Menschen verschlossen werden.
Diese nicht zukunftsorientierten Formen der Energiegewinnung sind also schlussendlich nicht nur für Umwelt und Tiere, sondern vor allem auch für uns Menschen extrem gefährlich. Dem gegenüber stehen etwa 5 tote Vögel pro Windkraftanlage pro Jahr. Eine Zahl, die zum Beispiel durch die Berücksichtigung der Flugrouten und Nistplätze von Vögeln bei der Standortauswahl noch weiter in den Sinkflug gehen kann.
Tipp: Willst du dem Vogelsterben auch in deinem eigenen Grün entgegenwirken? Dann schaue einfach im Beitrag über die Anlage eines vogelfreundlichen Gartens vorbei.
3. »Das Klima hat sich schon immer verändert.«
Das stimmt! Das Klima hat schon immer sensibel auf unterschiedliche Umwelteinflüsse reagiert. Die Erde ist mehrere Millionen Jahre alt – es gab Eiszeiten und Warmzeiten, auch ohne menschliches Zutun. Doch das widerlegt natürlich nicht unseren heutigen Einfluss auf den derzeitigen Klimawandel, der etwa zehn Mal schneller abläuft, als jeder andere zuvor. Der gleiche Temperaturanstieg, wie früher, findet heute also nicht in 500 Jahren, sondern in 50 Jahren statt. Es ist wissenschaftlich ausgeschlossen, dass solche Veränderungen einen rein natürlichen Hintergrund haben.₆
Auch wenn wir aus früheren Klimaveränderungen wenige Schlussfolgerungen über die Ursachen des heutigen Klimawandels ziehen können, so können wir immerhin aus ihnen lernen, welche Folgen die globale Erwärmung für das Leben auf der Erde hat. Zunehmende Eisschmelze, Überflutungen, Dürreperioden und Extremwetter sollten Anreiz genug sein, selbst ein Teil der Lösung des größten Umweltproblems unserer Zeit zu werden, anstatt die natürlichen Klimaveränderung als Ausrede dafür zu nehmen, sein eigenes Verhalten nicht ändern zu müssen.
Tipp: Mehr Input zu diesem Nachhaltigkeit Vorurteil findest du im Beitrag Klimawandel stoppen.
4. »100 Prozent nachhaltig geht doch gar nicht.«
Warum muss man immer alles zu 100 Prozent perfekt machen? Nachhaltig zu leben ist doch kein Sprint, sondern ein Marathon. Ein Marathon, bei dem du dich Schritt für Schritt verbesserst, weil du jeden Tag neue Dinge dazulernst. Egal, ob du Müllvermeidung betreibst – oder ob du langsam zum Vegetarier oder Veganer wirst. Ich selbst mache auch nicht alles perfekt. Doch wenn ich jetzt Mal ein paar Monate/Jahre zurückdenke, stelle ich fest, wie sehr ich mich im Laufe der Zeit weiterentwickelt habe.
Anstatt dein Argument als Ausrede zu nutzen, solltest du lieber einfach Mal damit anfangen, etwas in deinem Alltag zu verändern. Ersetze zum Beispiel teures Wasser aus Plastikflaschen durch Leitungswasser aus der wiederverwendbaren Edelstahl-Trinkflasche. Kaufe mit einem Jutebeutel ein, anstatt mit einer Plastiktüte. Fahre kurze Strecken einfach öfter mit dem Fahrrad, als mit dem Auto. Oder koche dir bewusst Gerichte, die weniger Fleisch enthalten. Das sind erste Schritte, denen viele weitere folgen werden, wenn deine persönliche Einstellung auf Nachhaltigkeit und ihren positiven Effekt für dich selbst, die Umwelt und unsere globale Gesellschaft ausgerichtet ist.
Tipp: Dieses Nachhaltigkeit Vorurteil ist natürlich Blödsinn. Versuche es doch einfach mit einem weichen Start in das nachhaltige Leben – und schaue dir meinen Beitrag für Zero Waste Anfänger an.
5. »Vegane Ernährung schränkt zu sehr ein – es ist einfach zu extrem.«
Ich kann es verstehen, dass dir der Veganismus als einschränkend erscheint, solange dir das Thema noch völlig neu ist. Doch nachdem du dich eine Woche bewusst vegan ernährt hast, wirst du schon viele pflanzliche Alternativen für tierische Produkte kennen – und stetig weitere kennenlernen. Denn tatsächlich ist es so, dass dir die vegane Ernährung eine Tür zu so vielen unterschiedlichen, abwechslungsreichen und leckeren Gerichten öffnen wird, wie du es dir jetzt noch nicht vorstellen kannst. Du kannst weiter Pizza, Burger, Pasta oder Lasagne essen. Es gibt auch veganen Käse, der genauso schmeckt, wie üblicher Käse. Das einzige was sich ändert: die veganen Alternativen enthalten keine Körperteile von Tieren.
Und ist es nicht vielmehr extrem, dass wir weltweit jedes Jahr 74 Milliarden Tiere mästen, quälen, verstümmeln und sie schlussendlich vergasen, schreddern oder ihnen die Kehle aufschlitzen, nur damit wir anschließend Teile von ihnen essen können?₇ Aus der Sicht einer Kuh oder eines Schweins könnte ich jedenfalls verstehen, wenn man ihr Leben als eingeschränkt und extrem bezeichnen würde.
Tipp: Vielleicht habe ich den letzten Absatz etwas hart formuliert. Doch wenn du dir einige dieser Dokumentationen über Massentierhaltung ansiehst, wirst du verstehen, warum ich das so kommuniziere.
6. »Zero Waste ändert gar nichts.«
Das Gegenteil ist der Fall – nichts zu tun, ändert gar nichts. Wenn wir die zunehmenden Massen an ewig auf unserer Erde bleibendem Plastikmüll stoppen wollen, muss jeder Einzelne bei sich selbst anfangen. Jedes kleine Stückchen Plastikmüll in der Natur weniger, ist eine positive Veränderung. Wenn du behauptest, dass »Zero Waste nichts ändert«, denkt du meiner Meinung nach einfach zu kurzfristig und nicht an das langfristige gemeinsame Ziel, unseren Planeten und alle Lebewesen vor Plastikmüll zu schützen. Mit dieser Einstellung bleibst du ein Teil des Problems, anstatt Teil der Lösung zu werden.
Der plastikfreie Lebensstil ist lösungsorientiert, denn er reduziert den persönlichen Plastikmüll und damit auch die Verschwendung des begrenzten Rohstoffs Erdöl für überflüssige Plastikverpackungen, die später größtenteils verbrannt werden. Da wir zudem bezüglich der Auswirkungen von Kunststoffen in der Nahrungskette auf unsere Gesundheit noch im Dunkeln tappen, rettet uns der plastikfreie Lebensstil womöglich sogar einen Großteil unserer Lebenszeit. Weniger Mikroplastik im Essen, saubere Flüsse und Meere, keine an unserem Müll verendenden Tiere und saubere Landschaften, durch die du gerne Spazieren gehst. Also bitte behaupte nicht pauschal, Zero Waste würde nichts ändern.
7. »Öko zu sein ist voll unmännlich.«
Es mag sein, dass Frauen in puncto Umweltschutz im Alltag tendenziell in der Mehrheit sind. Und vielleicht auch, dass ökologische Verhaltensweisen meist etwas „weicher“ und „weiblicher“ herüberkommen. Doch was ist daran unmännlich, sich gegen Missstände in unserer Gesellschaft zu engagieren und einen Lebensstil zu leben, der nicht die Umwelt zerstört? Ist es unmännlich, sich in der Natur mit Kumpels zu treffen und einfach keinen Müll zu machen bzw. zu hinterlassen?
Ein nachhaltiges und zukunftsorientiertes Verhalten im Allgemeinen solltest du nicht als männlich oder weiblich kategorisieren – sondern als smart oder nicht smart. Ob Mann oder Frau – schlussendlich sind wir alle durch unser tägliches Verhalten entweder Teil der Lösung – oder weiterhin ein Teil des Problems.
8. »Ich allein kann sowieso nichts verändern.«
Was wäre, wenn jeder so denken würde? Dann bliebe alles auf unserer Erde gleich! Nichts würde sich verändern. Schon Albert Einstein hat vermutlich gesagt: »Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.« Jeder Mensch sollte davon ausgehen, dass er etwas ändern kann. Die Menschen, die daran glauben, werden erfolgreich sein und andere mitreißen. »Allein« ist man also höchstens im kurzen Moment der Entscheidung, etwas in seinem Leben zu verändern, um einen Missstand zu beseitigen.
Wenn es sich dabei um ein Problem handelt, dass nicht nur dich, sondern auch viele andere Menschen betrifft, wirst du nicht allein bleiben und einen Stein ins Rollen bringen. Das ist bei einem umweltbewussten, nachhaltigen Lebensstil definitiv der Fall. Logisch, wer will schon, dass Tiere für das eigene Vergnügen leiden müssen, dass der Regenwald für den eigenen Gartentisch verschwindet oder dass Unmengen an Treibhausgasen durch das eigene, tägliche Verhalten in die Atmosphäre geblasen werden?
Tipp: Im Beitrag namens „Ich allein kann nichts ändern“ habe ich mich noch einmal etwas genauer mit diesem Argument auseinandergesetzt.
Nachhaltigkeit Vorurteile entkräften und als Chance sehen
Lasse dich nicht von üblichen Irrtümern über Nachhaltigkeit irritieren oder von deinem Weg abbringen – denn du tust etwas Gutes. Ergreife lieber die Gelegenheit, diese typischen Gegenargumente als Chance zu nutzen, deinen Gesprächspartner zu überzeugen. Stelle dabei am besten zum Nachdenken anregende Fragen, anstatt ein Fakten-Feuerwerk loszulassen.
Zwei wirkungsvolle Beispiele:
„Wie lange bleibt eine Plastikflasche in der Umwelt?„, statt „Eine Plastikflasche bleibt etwa 450 Jahre lang in der Umwelt.“
„Warum produziert eine Kuh Milch?“, statt „Eine Kuh produziert Milch, weil sie ein Kind bekommen hat, dass sie ernähren muss.“
Ich hoffe, dass dir dieser Beitrag persönlich weiterhilft – und dass du auch andere für Nachhaltigkeit im Alltag begeistern kannst.
Bleib‘ nachhaltig,
PS.: Auch über den Zero Waste Lebensstil gibt es Vorurteile. Im verlinkten Beitrag lernst du sie kennen. Viel Spaß!
Quellenangaben:
₁,₂,₃ Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt: Warum Sojawurst nicht dem Regenwald schadet (Stand: 01.06.2018). https://t1p.de/jzvz. [09.08.2019].
₄ FOCUS Magazin Verlag GmbH: Das Öl geht aus und Windräder töten Vögel, abrufbar unter https://t1p.de/annh. [08.07.2020].
₅ BUND NRW e.V.: Vogelschlag an Glas, abrufbar unter https://t1p.de/lbv8. [08.07.2020].
₆ C. Steinlein; J. Marotzke: So leugnen Skeptiker den Klimawandel (Stand: 23.09.2014), abrufbar unter https://t1p.de/m0b6. [08.07.2020].
₇ Dinge erklärt – Kurzgesagt: Fleisch – Das leckerste Übel der Welt, YouTube, 24.01.2019, Web, 07.05.2020 um 10:50 Uhr, in: http://y2u.be/y6f3dwxexZM.