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Karnismus – Die Psychologie des Fleischessens

Karnismus - Die Psychologie des Fleischessens

Was versteht man unter Karnismus? Wenn du eine Antwort auf diese Frage suchst, bist du hier genau richtig! Und zugegeben: Den Begriff gibt es noch gar nicht lang. Doch er beschreibt ziemlich genau das ausbeuterische System des Fleischessens, das ich selbst fast 30 Jahre meines Lebens unbewusst geschätzt und durch mein Einkaufsverhalten auch gefördert habe.

Erst als die Hintergründe der Fleischindustrie und die wahren Gründe für meinen Fleischkonsum zu mir durchsickerten, habe ich beginnen, das System „Fleisch“ und die Ideologie dahinter zu hinterfragen und besser zu verstehen.

In diesem Artikel möchte ich dir deshalb jetzt alle wichtigen Informationen rund um die Psychologie des Fleischessens an die Hand geben. Auf geht's!

Vorab schon einmal eine kurze Übersicht über den Beitrag:

  1. Definition
  2. Warum wir nur bestimmte Tiere essen
  3. Die Gründe für den Karnismus
  4. Soziale Ungerechtigkeit
  5. Was tun?

Was versteht man unter Karnismus?

Der Karnismus (carne = Fleisch) ist ein unsichtbares Glaubenssystem, das uns von klein auf darauf konditioniert, bestimmte Tiere zu essen. Es handelt sich sozusagen um die Psychologie des Fleischkonsums, die tief in unserer Gesellschaft, in unseren Glaubenssätzen, Normen und Überzeugungen verankert ist und unser Verhalten wesentlich beeinflusst.

Das Gegenteil des Karnismus, der übrigens seinen Namen von der amerikanischen Psychologin Dr. Melanie Joy (absolute Buchempfehlung: Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen*) bekam, ist der Veganismus.

Es ist die Lebensweise, die versucht – soweit wie praktisch durchführbar – alle Formen der Ausbeutung von Tieren für Essen, Kleidung und andere Zwecke zu vermeiden.

Tipp: Als weiterführende Lektüre kann ich dir außerdem auch noch das Buch „Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer (gibt's hier*) empfehlen. Darin geht der Autor der Frage „Was essen wir und warum?“ auf den Grund.

Warum gibt es den Begriff „Karnismus“ noch nicht so lange?

Für viele Menschen ist es eine Selbstverständlichkeit, Fleisch zu essen, auch wenn es eigentlich ja eine freie Entscheidung jedes einzelnen darstellt. Es ist aber so selbstverständlich, dass wir glauben, „dass die Dinge eben einfach nunmal so sind“.

Wir haben lange nicht realisiert, dass dieses Verhalten irrational und widersprüchlich (Tiere lieben aber sie essen) ist, nicht gesehen, dass es zerstörerisch ist und nicht einmal verstanden, dass wir die freie Wahl haben, etwas anders zu machen.

Nur die wenigsten Menschen haben ein zunächst ja unsichtbares Glaubenssystem wie den Karnismus erkannt. Und genau deshalb tauchte der Begriff auch erst im Jahr 2001 erstmals auf.

Warum isst du manche Tiere und andere nicht?

Die meisten Menschen würden wohl behaupten, Tiere zu lieben und Tierquälerei abzulehnen.

Dennoch bezahlen sie in aller Regelmäßigkeit Geld dafür, dass jemand ein Tier für sie quält und tötet. Und so kommt es bei vielen zu unangenehmen, inneren Konflikten, den sogenannten kognitiven Dissonanzen.

Fleisch zu essen, ist für uns zudem längst keine überlebenswichtige Notwendigkeit mehr. Es ist eine freie Entscheidung.

Eine Frage sollten wir also deshalb zunächst dringend beantworten: Warum essen wir überhaupt Tiere? Hier sind die einzig wahren logischen Antworten:

  • Bequemlichkeit
  • Tradition
  • Gewohnheit
  • Geschmack

Es handelt sich um nicht lebensnotwendige Gründe, die auf moralischer Basis nicht rechtfertigen können, was wir den unschuldigen Tieren da antun. Doch das sind die vier wesentlichen Rechtfertigungen für den Verzehr von Fleisch.

Doch warum sind wir plötzlich empört, wenn uns jemand Delfin-, Hunde-, Katzen- oder Pferdefleisch anbietet? Oder anders gefragt: Warum essen wir manche Tiere und streicheln andere? Für Kaninchen gilt ja sogar beides.

Manche Tiere als wertvoll und andere als minderwertig zu betrachten und diese Einteilung mit der menschlichen Überlegenheit zu rechtfertigen, nennt man Speziesismus.

Es gibt aber keinen ethisch-vertretbaren und logischen Grund für die Unterscheidung. Nur persönliche und von klein auf gefestigte Überzeugungen lassen uns einen Unterschied zwischen Hunden und Kühen erkennen, obwohl es sich bei beiden Tieren um fühlende Lebewesen handelt, die nicht sterben wollen.

Warum ist der Karnismus so lange und immer noch Teil unserer Gesellschaft?

Eine Mahlzeit mit Fleisch

Wir Menschen sind keine Fleischfresser. Unsere gesamte Anatomie ist auf den Verzehr von Pflanzen ausgerichtet. Wir haben zum Beispiel keine Reißzähne und haben einen langen Magen-Darm-Trakt, der zur Verdauung von Pflanzen geeignet ist. Und durch den Fleischkonsum steigt sogar das Risiko für Darmkrebs und andere ernährungsbedingte Erkrankungen.1

Zudem zerstört die Massentierhaltung unseren Planeten und kostet Milliarden von Tieren das Leben. (siehe auch Live Zähler für getötete Tiere weltweit)

Dennoch isst jeder Deutsche im gesamten Leben durchschnittlich etwa 1100 Tiere.

Wir bringen unseren Kindern bei, liebevoll mit Kaninchen umzugehen, während wir die Schlappohren am Abend in den Ofen schieben. Doch wie kann es sein, dass dieses widersprüchliche und alles andere als menschliche Verhalten so ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft ist?

Die Antwort liefern die sozialen und psychologischen Verteidigungsmechanismen des Karnismus, die uns dazu bewegen, an eigentlich inhumanen Praktiken zu partizipieren, ohne vollständig zu realisieren, was wir da eigentlich tun.

Dr. Melanie Joy spricht in ihrem Buch „Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen (gibt's hier*) von den folgenden drei entscheidenden Mechanismen.

Leugnung: Was es nicht gibt, können wir nicht infrage stellen

Die Verborgenheit und Unsichtbarkeit machen es uns leicht, die unangenehmen Seiten des Fleischkonsums und der Fleischproduktion vollkommen auszublenden.

Die Psychologie des Fleischessens ist unsichtbar. Man sieht bei einem Steak auf dem Teller nicht, dass es mal ein Tier war. Würde man es sehen, dürfte vielen wohl der Appetit auf Fleisch vergehen. Doch solange sie von von dem Tierleid und den ökologischen und gesundheitlichen Folgen des Fleischkonsums nichts merken, lassen sich die Probleme leicht leugnen.

Und falls wir doch einmal in einer veganen Doku oder auf einem Werbeplakat einen Blick hinter die Kulissen von Massentierbetrieben und Schlachthäusern erhaschen, sorgen die Tierwohllabels schnell dafür, dass wir wieder ein reines Gewissen bekommen.

Doch die Opfer der karnistischen Ideologie sind leider ebenfalls unsichtbar. Es geht dabei nicht nur um die Milliarden von Nutztieren, die für unsere „Fleischeslust“ leiden und schließlich sterben müssen, sondern auch um die traumatisierten und meist ausgebeuteten Schlachthofarbeiter:innen. Auch die Gesundheit der menschlichen Verbraucher:innen und nicht zuletzt die ökologische Folgen (wie der Klimawandel) sind eine schleichende, unsichtbare Gefahr.

Hinweis: Bei diesem Verhalten handelt es sich um die klassische Vogel-Strauß-Taktik, bei der wir den Kopf in den Sand stecken, um Probleme und Ungerechtigkeiten nicht lösen zu müssen.

Mythen: Tiere zu essen ist normal, natürlich und notwendig

Das System des Karnismus wird auch dadurch aufrechterhalten, dass wir seine Mythen als Fakten ansehen. Wir müssen Rindfleisch und Hühnerier essen, um genügend Proteine zu bekommen und Muttermilch von Kühen trinken, um genügend Calcium für unsere Knochen aufzunehmen.

So konnte man es zumindest in unzähligen, früheren Werbespots entnehmen, weshalb viele Menschen ihren Fleischkonsum auch heute noch damit rechtfertigen. Hinzu kommen Euphemismen bei Tierprodukten wie Steak, Wurst und Schnitzel, die uns noch weiter davon entfernen, das Stück Fleisch eines fühlenden, unschuldigen Lebewesens auf dem Teller zu realisieren.

Die Fleischlobby hat aber nicht nur ein unsichtbares und moralisch-verwerfliches Glaubenssystem aufgebaut, um auf dem Rücken der Tiere viel Geld zu verdienen. Sie versucht deshalb auch mit allen Mitteln, ihre ausbeuterischen, umweltzerstörerischen und gesundheitsgefährdenden Aktivitäten weiterhin aufrecht zu erhalten.

Das funktioniert, indem es als normal, natürlich und notwendig dargestellt wird, Tiere zu essen. Aber auch, indem man Gegenbewegungen wie den Veganismus attackiert und als falsch erscheinen lässt. Hier ein paar Beispiele für vegane Mythen und Vorurteile:

Ziel ist es natürlich, diese Glaubenssätze in unserer Gesellschaft zu verankern, um die tierfreundliche Botschaft zu diskreditieren und möglichst wenige Menschen die unsichtbare Psychologie des Fleischkonsums erkennen zu lassen.

Tipp: Passend dazu kann ich dir auf jeden Fall das Buch „Vegan ist Unsinn!“ (gibt's hier*) ans Herz legen. Darin werden populäre Argumente gegen den Veganismus logisch entkräftet.

Wahrnehmungsverzerrung

In unserer Wahrnehmung von Tieren in unserer Gesellschaft unterscheiden wir wie selbstverständlich zwischen heiligen Haustieren und minderwertigen Nutztieren.

Aufgrund des Karnismus teilen wir sie in „essbar“ und „nicht essbar“ ein. Ein Hund ist zum Streicheln da und sein Fleisch isst man nicht. Das Schwein hingegen ist ein Nutztier, dessen Fleisch man isst. Fertig.

Dabei sind es allesamt fühlende Lebewesen und es gibt nicht einen logischen, moralisch-vertretbaren Grund dafür, zwischen ihnen zu differenzieren. Stattdessen sprechen wir von humanem Schlachten. Dabei ist an dem, was wir den „Nutztieren“ für unsere Essgewohnheiten antun, so rein gar nichts menschlich – also mitfühlend, barmherzig und liebevoll.

Ganz offensichtlich blockiert der Karnismus unser natürliches Einfühlungsvermögen, sodass wir im Gegensatz zu unseren persönlichen Wertvorstellungen handeln, ohne uns darüber im Klaren zu sein. Das System „Fleisch“ hat uns darauf konditioniert, nicht zu denken und zu fühlen. Erst wenn wir aus den karnistischen Abwehrmechanismen ausbrechen, erkennen wir die verwerflichen Hintergründe und Probleme des Fleischverzehrs.

Tipp: Haben Veganer:innen eigentlich Haustiere? Im verlinkten Beitrag erfährst du alles über die Vereinbarkeit der veganen Lebensphilosophie mit der Haltung eines Haustiers.

Warum stellt Karnismus eine soziale Ungerechtigkeit für Mensch und Tier dar?

Karnismus - Kühe und Schweine werden ausgebeutet

Diejenigen, die ihre Augen vor dem System des Karnismus verschließen, um weiterhin (ihr) Fleisch genießen zu können, sehen darin natürlich auch keine soziale Ungerechtigkeit.

Ein gern gehörtes Gegenargument ist, dass Fleischessen eine persönliche Entscheidung sei. Doch da diese Entscheidung direkte und indirekten Opfer hervorruft, ist sie eben nicht persönlich.

So werden Kühe, Schweine, Schafe, Hühner und dutzende weiterer Tierarten erst ausgebeutet und dann getötet. Die ressourcenintensive Massentierhaltung ist außerdem für die größten Umweltprobleme unserer Zeit verantwortlich, die uns alle betreffen. Und wenn wir die als Tierfutter angebauten Pflanzen einfach direkt verzehren würden, müsste es nicht einmal mehr den Welthunger geben.2

Der Fleischverzehr ist das Ergebnis des unterdrückerischen Systems des Karnismus. Der Mann dachte, er ist der Frau überlegen, weil sie anders ist. Weiße Menschen dachten, dass sie Dunkelhäutigen überlegen sind, weil sie anders sind. Und heute glauben wir noch, dass wir nicht-menschlichen Tieren überlegen sind, weil sie Federn, Flügel, Wolle oder einen Pelz haben.

Für eine mitfühlendere und gerechtere Gesellschaft müssen wir alle Formen der Unterdrückung ernst nehmen und gemeinsam etwas daran ändern.

Wie wir den Karnismus und damit zusammenhängende Ungerechtigkeiten beenden

Fleischkonsum ist aufgrund dieses manifestierten Glaubenssystems ein stark polarisierendes und schwer zu diskutierendes Thema. Doch ist es auch dann noch so kontrovers, wenn wir es absolut unvoreingenommen betrachten?

Angenommen, wir hätten bis heute nie ein einziges Tier zu unserem Vorteil ausgebeutet und getötet. Was würdest du über einen Menschen denken, der Kühe zerstückelt, Schweine vergast und Küken schreddert? Vermutlich würdest du in ihm eher einen Psychopaten oder eine Psychopatin sehen, als zu glauben und zu akzeptieren, dass er/sie sich „ganz normal“ verhält.

Wir müssen uns bewusst werden, wie sehr uns die Psychologie des Fleischessens tatsächlich beeinflusst. Erst dann können wir eine zukunftsorientierte, friedliche, umweltschützende und tierfreundliche Bewegung wie den Veganismus verstehen und adaptieren – und tatsächlich im Einklang mit unseren persönlichen, menschlichen Werten leben.

„Tiere sind meine Freunde und ich esse meine Freunde nicht.“

George Bernard Shaw, irischer Dramatiker (1856-1950) (mehr unter Tierschutz Zitate)

Vielleicht wusstest du bis zu diesem Artikel nichts vom Karnismus. Nun weißt du, was dahintersteckt. Was tust du nun dagegen?

Neben der Empfehlung des Buchs Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen“* habe ich hier noch einige weiterführende Artikel gegen diese soziale Ungerechtigkeit, die dich interessieren dürften:

Hast du Fragen oder Anregungen? Dann freue ich mich auf deinen Kommentar!

Bleib tierfreundlich und dir der Folgen deines Handelns bewusst,

Christoph von CareElite - Plastikfrei leben

PS: Mich persönlich hat der Film Dominion zum Umdenken gebracht, weil er die brutale Wahrheit der Fleischindustrie zeigt. Schau ihn dir unbedingt mal an. Er ist hier kostenlos auf YouTube zu sehen.

Quellenangaben:

  1. American Dietetic Association; Dietitians of Canada (2003): Position of the American Dietetic Association and Dietitians of Canada: Vegetarian diets, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12778049. [03.02.2025]. ↩︎
  2. M. Berners-Lee,  C. Kennelly,  R. Watson; u.a. (2018): Current global food production is sufficient to meet human nutritional needs in 2050 provided there is radical societal adaptation, abrufbar unter https://www.researchgate.net/publication/326488835_Current_global_food_production_is_sufficient_to_meet_human_nutritional_needs_in_2050_provided_there_is_radical_societal_adaptation. [03.02.2025]. ↩︎
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Christoph Schulz

Christoph Schulz

Ich bin Christoph, Umweltwissenschaftler, Aktivist und Autor und setze mich hier bei CareElite gegen die Umweltprobleme unserer Zeit und für eine möglichst bewusste und nachhaltige Lebensweise in unserer Gesellschaft ein.