Heute war ich zum Interview mit der Zero Waste Expertin Shia Su verabredet, die auch mir sehr viel Inspiration und Motivation im Kampf gegen den Plastikmüll gegeben hat. Shia lebt schon länger nach dem Zero Waste Lebensstil und hat mittlerweile alle Hürden auf dem Weg zu weniger Müll genommen. Im Interview verrät sie uns jetzt, wie alles angefangen hat, was sie motiviert und wo auch sie schon einmal an ihre Grenzen stößt. Viel Spaß!
Hey Shia! Seit wann lebst du Zero Waste und wie kam es dazu?
September 2014 haben mein Mann Hanno und ich angefangen, unseren Müll mal etwas konsequenter zu reduzieren. Zero Waste hatten wir allerdings gar nicht als Ziel. Wir fanden die Idee klasse und sehr bewundernswert, aber dachten wie so viele andere auch, dass sich das ja nicht in Deutschland umsetzen lässt. Es gab damals auch nur einen einzigen Unverpackt-Laden, und der war 500km weiter weg in Kiel. Ein Weiterer im ebenfalls 500km entfernten Berlin war gerade dabei, aufzumachen. Aber bei der Entfernung sind das doch keine richtigen Einkaufsoptionen (siehe auch Artikel Plastikfrei Einkaufen) gewesen.
Als wir aber anfingen, stolperten wir über immer mehr Möglichkeiten. Wir entdeckten Hausmittel für uns statt aggressiver Reiniger und Körperpflegeprodukte aus der Drogerie. Gerade ich als neurodermitis- und allergiegeplagtes Ding stand dem anfangs allerdings unglaublich skeptisch gegenüber. Es stellte sich allerdings heraus, dass das beste war, was ich meiner Haut antun konnte! Und klar, das Herumprobieren war zum Teil echt etwas chaotisch und abenteuerlich, hat aber irre Spaß gemacht, da entdeckt man wieder das bastelfreudige Kind in sich. Jede einzelne Sache war auch echt viel unkomplizierter als wir es erwartet hätten und irgendwie waren wir selbst überrascht, als nur noch so wenig Müll übrig blieb…
Was bedeutet Zero Waste für dich und was motiviert dich?
Bei Zero Waste geht es mir persönlich darum, mir in erster Linie an die eigene Nase zu fassen. Ich bin keine Politikerin oder Konzernchefin. Ich kann keine Gesetze erlassen oder entscheiden, dass ab jetzt überall die Produkte in weniger Plastik verpackt werden. Worüber ich als Konsumentin tatsächlich direkte Kontrolle habe, ist mein eigenes Konsumverhalten. Direkte Kontrolle hat man als Konsument eben nur auf den letzten Schritt in der ganzen Lieferkette.
Ich muss allerdings auch anmerken, dass ich ehrlich gesagt eine kleine Hassliebe mit dem Namen “Zero” Waste, weil ich das Gefühl habe, dass das “Zero” darin zu viel Frustration führt. Es verleitet dazu, dass man defizitorientiert auf das guckt, wo es noch nicht klappt, anstatt sich über die Sachen zu freuen, wo es klappt! Viele Leute fangen dann auch erst mal an, nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen, statt zu sehen, was für Mülleinsparungspotential irgendwo ist. Unabhängig vom Begriff geht es mir persönlich darum, mich einfach im Kleinen wo es geht für die nachhaltigste Option zu entscheiden. Zero Waste, also “null” Müll ist es ja bei mir auch nicht und geht auch in den vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen gar nicht. Aber ich versuche schon, mich in die Richtung zu bewegen, den Müll zumindest so gut es geht zu minimieren. Denn ich möchte meinen ökologischen Abdruck gerne minimieren. Müllvermeidung ist nur eins von vielen Dingen dabei. Ich lebe außerdem vegan, vermeide Palmöl, habe kein Auto, reduziere Plastik, gehe sehr bewusst mit Energie um und gucke auch sonst, wo noch Luft für bessere Entscheidungen ist. Perfekt mache ich aber nix davon, das ist immer alles Work in Progress. 😉
Kann ich 100% nachvollziehen! Ohne welche Dinge gehst du nicht mehr aus dem Haus?
Stofftaschentücher, denn ich bin Allergikerin, meine Nase läuft zu jeder Jahreszeit. Plus einen kleinen Stoffbeutel für benutzte Taschentücher. Ansonsten ist es bei mir wie mit dem Regenschirm, den ich auch nur einstecke, wenn ich denke, es könnte regnen. Wenn ich denke, ich werde heute essen gehen oder mit was zu essen kaufen, stecke ich mir halt eine Dose ein und eventuell mein Besteck-Set. Wenn nicht, dann nicht. Meine Trinkflasche hab ich auch nur dabei, wenn ich den ganzen Tag unterwegs sein werde. Wenn ich nur zum Bioladen laufe, um den Wocheneinkauf zu machen brauch‘ ich ja keine Trinkflasche, aber vielleicht meine Netze für Obst und Gemüse.
Ich habe gehört, dass du auch kompostierst. Wie funktioniert das, wie ist das mit den Gerüchen und was ist deine Motivation zu Kompostieren?
Wir haben in der Küche eine Wurmkiste. Das ist eine Kiste, worin mit Hilfe von Kompostwürmern geruchlos kompostiert (Anm.: siehe auch Artikel Richtig Kompostieren) werden kann. Ja echt! Das ist definitiv die angenehmere Option im Vergleich zum normalen Küchenmülleimer oder Biomüll. 😉
Eine Wurmkiste ist vor allem für Stadtkinder wie mich interessant, die keinen Garten und/oder im Mietshaus keine Biomülltonne haben, aber auch für andere Menschen, die ihre organischen Abfälle ökologisch nicht nur entsorgen, sondern upcyceln wollen. Beim Upcyceln entsteht nämlich aus Abfall etwas Wertvolleres als vorher, und der Wurmhummus ist ein sehr wertvoller und im Handel eher teurer Dünger.
Wo hattest du richtig Probleme, keinen Müll zu machen?
Im medizinischem und gesundheitlichen Bereich wird’s generell schwierig. Letztes Jahr hab ich mir Neujahr beim Kochen fast ein Stück meiner Fingerkuppel abgeschnitten. In der Notaufnahme fiel dann natürlich ein bisschen Müll an und da diskutiere ich auch nicht.
Das ist aber auch vollkommen in Ordnung so. Es gibt meines Erachtens Bereiche, da hat auch der Einsatz von Plastik seinen Sinn. Wobei ich natürlich zusehe, dass ich, wo es geht, auf Hausmittel zurückgreife. Ich brauche nicht für jedes Wehwehchen ein Medikament und nicht für jeden kleinsten Kratzer ein Pflaster.
Von “Problemen” würde ich da allerdings nicht sprechen, da sind wir wieder bei der defizitorientierten Perspektive, wozu dieser Name “Zero” Waste leider schnell verleitet. Wie viel Müll am Ende bleibt und wo man Müll vermeiden kann und wo nicht, hängt von so vielen Faktoren ab, u.a. eben zu was für einer Infrastruktur du Zugang hast. Es geht darum, zumindest darauf hinzuarbeiten den für einen sichtbaren Müll zu minimieren – und Grenzen wird es da selbstverständlich immer geben.
Ich habe dein Glas mit dem Plastikmüll aus einem Jahr gesehen. Was war da drin und warum?
Darin ist z.B. meine alte Krankenkarte. Solche Sachen kann man auch eigentlich nicht vermeiden. Wenn man dann mal eine neue Bankkarte und Ähnliches braucht. Aber unsere Kundenkarten haben wir gekündigt. Ansosten noch Obst- und Gemüsesticker und eine ganze Menge Kassenbons, denn häufig werden die selbst in Bioläden automatisch gedruckt. Da das Thermopapier von Kassenzetteln BPA-beschichtet ist gehören sie auch nicht in den Papiermüll, weil sie damit die Sachen kontaminieren, die aus dem Papier hergestellt werden.
Dann sind darin noch einige Deckel von Glasflaschen, wobei wir Metalldeckel bevorzugen, weil diese zumindest recyclebar sind. Dann eine kleine Plastikflasche unserer Vitamin B12 Tabletten. Als Veganer müssen wir Vitamin B12 supplementieren.
Und natürlich geht auch mal etwas kaputt. Ich bin ein Trampeltier! Im Glas ist z.B. der abgebrochene Griff einer Tasse. Die Tasse ist ansonsten zum Glück noch intakt und wird noch für Rasierseife weiterbenutzt.
Supercool! Ermögliche unseren Lesern noch einen einfachen Start ins Zero Waste Leben. Was sind deine besten Tipps?
- Jutebeutel einstecken, am besten unter den Schlüssel legen
- Zum unverpackten Obst & Gemüse greifen, lose aufs Band legen
- Glas und Papierverpackungen Plastik vorziehen
- Mehrweg statt Einweg: Spüllappen/Spülschwamm, Lappen/Küchenrolle, Wattepads/waschbare Pads
- Sich mal fragen: Brauche ich das wirklich? Leg’s zurück und sag dir: Wenn ich es in einer Woche noch möchte, kaufe ich es. Du wirst es höchstwahrscheinlich wenige Stunden später schon vergessen haben.
Großartig. Danke die Shia und bis bald!
Shia gehört mit ihrem Blog Wasteland Rebel zu den Zero Waste Pionieren und weiß genau, wo die Hürden im Zero Waste Leben liegen. Ich hoffe, dass dir das Interview mit Shia Su auch bei deinem Ziel weiterhilft, weniger Plastikmüll zu machen und im Sinne des Zero Waste Lebensstils zu leben.
Bleib‘ sauber,
PS.: Im Umweltschutz Blog findest du viele weitere Experten-Tipps, wie zum Beispiel mein Interview mit Dr. Bernhard Bauske, dem Plastikexperten vom WWF.